Dichter Nebel Hot

Michael Brinkschulte   06. Juni 2015  
Dichter Nebel

Rückentext

Eine abgeschiedene Villa am Rand einer Steilküste, umgeben von undurchdringlichem Nebel, ist der Handlungsort des Hörspiels „Dichter Nebel“. Bewohnt wird dieses Haus vom Präsidenten Markus, einem Rüstungsmagnaten, und Fürst Uganow, einem russischen Aristokraten, die aus einer Nervenheilanstalt entflohen sind. In ihr entrücktes, wirklichkeitsfernes Dasein bricht die Außenwelt in Gestalt einer Gruppe gescheiterter Existenzen. Fred von Hoerschelmann übt in dieser Hörspielgroteske Kritik an einer morbiden Wohlstandsgesellschaft, in der Ignoranz, Selbstsucht und Gefühlskälte bestimmend sind. Er zeigt, dass gewissenloses, egozentrisches Handeln letztlich die Vereinsamung des Menschen zur Folge hat. Als es dann zur Katastrophe kommt und die Terrasse die Steinküste hinabstürzt, glaubt der schlafwandelnde Uganow, den Untergang der Welt zu erkennen. Was Uganow hierunbewusst als düsteres Bild der Endzeit entwirft, wird zur Realität eines undurchdringlichen, dichten Nebels, der anstelle der Terrasse den todbringenden Abgrund der Steilküste verbirgt.

Zum ersten Man gesendet am 6. Dezember 1961, entstand das Hörspiel als Koproduktion des NDR Hamburg mit dem SDR Stuttgart. Im Gegensatz zur Druckfassung wurde der Text des Manuskripts an einigen Stellen gestrafft, was zu einem etwas verblüffenden Schluss führt. Die Produktion, mit Heinz Klevenow und Willy Maertens in den Hauptrollen hervorragend besetzt, gewinnt in der Inszenierung Fritz Schröder-Jahns: er richtet den Akzent fast ausschließlich auf die Wirkung des gesprochenen Wortes und die Dramaturgie des Pause und erreicht sie eine Intensität und Ausdruckskraft, die kaum zu überbieten ist. Das Zusammenspiel von Klevenow als Präsident Markus und Maertens, dem Intendanten des Thalia-Theaters, in der Rolle des Uganow bildet in künstlerischer Sicht den Höhepunkt dieser Hörspielinszenierung. So skurril und wunderlich die beiden Charaktere erscheinen, gewinnen sie durch ihre beschwingte Heiterkeit und liebenswürdige Menschlichkeit die Sympathie der Hörer.

Fred von Hoerschelmann (1901-1976) war bereits in der Weimarer Republik einer der Hörspiel-Pioniere. In den 1950er- und 1960er-Jahren prägte er die Blütezeit dieser Kunstform maßgeblich mit. Hörspiele wie „Die verschlossene Tür“ (1952) und „Das Schiff Esperanza“ (1953) erlangten international großen Erfolg und begründeten Hoerschelmanns Ruf als „Meister der Hörspieldramaturgie“. Mit seinem 1950 erschienenen Buch „Die Stadt Tondi“ (1950) machte er sich als erfindungsreicher Erzähler mit einem Scharfblick für menschliche Abgründe einen Namen.

Hörspiegel-Meinung

Story/Inhalt 
 
8,0
Atmosphäre 
 
10,0
Sprecher 
 
9,0
Soundtrack 
 
5,0
Aufmachung 
 
7,0
Gesamtwertung 
 
7,8

Wie ist das Hörspiel umgesetzt?

Mit minimalem Einsatz von Soundeffekten und geringem musikalischem Anteil setzt dieses Hörspiel vor allem auf die Stimmen der Sprecher. Insgesamt sind zehn Rollen mit ausdrucksstarken Sprechern besetzt. Alle Sprecher sind mit ihren Rollen auf der Rückseite der Coverkarte verzeichnet. Das Cover selbst passt hervorragend zum Hörspiel und macht die Lage des Gebäudes an der Klippe auch visuell deutlich.

Resümee/Abschlussbewertung:

Zwei alternde Herren wohnen in einem Haus am Rande der Klippen. Dass das Haus bewohnt ist, ist in der näheren Umgebung unbekannt und doch ist eine Nachbarin darauf aufmerksam geworden, dass mit dem Haus etwas nicht stimmt. Es scheint absturzgefährdet. Und genau diese Problematik wird zum Dreh- und Angelpunkt für die weiteren Ereignisse.

Mit diesem Hörspiel wird ein sehr intensiver Stoff umgesetzt. Gesellschaftskritik ist nur eine Nuance, die sich hier deutlich herauskristallisiert. Das mehr als 50 Jahre alte Hörspiel ist auch heute noch aktuell und bietet spannende und auch überraschende Unterhaltung. Ein Schatz aus den Archiven, den es lohnt zu hören!

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