Regenrhythmus

Regenrhythmus Hot

Nico Steckelberg   27. Februar 2011  
Regenrhythmus

Musik

Interpret/Band
Label
Veröffentlichungs- Datum
25. Februar 2011
Format
CD
Anzahl Medien
1

Hörspiegel-Meinung

Gesamtwertung 
 
8,0

Ich glaube, ich habe mich von einer ganz ungewöhnlichen Seite an die Musik Marianne Rosenbergs genähert. Natürlich – jeder kennt die Schlager-Songs aus der Vergangenheit („Er gehört zu mir“ usw.), aber gerade von denen spreche ich nicht. Ich habe Marianne Rosenberg als Sprecherin zu schätzen gelernt. Ihre Interpretation von Frank Herberts „Dune“-Hörbüchern und ihr Beitrag zur Hörspielserie „Offenbarung 23“ hat mir gezeigt, dass hinter dem Namen Marianne Rosenberg mehr steht als ein Schlager-Star, der die besten Zeiten hinter sich hat. Klar unterstrichen wurde diese Vermutung von den beiden Bonus-Songs, die der o. g. Hörspielserie beilagen.

Diese beiden Stücke – „Illusionen“ (ein Udo-Jürgens-Song) und „Das Glück kam zu mir wie ein Traum“ – haben mich begeistert. Ihre avantgardistisch-elektronische Instrumentierung vermengt mit Marianne Rosenbergs tiefmelancholischer Stimme erinnerte mich an eine Mischung aus Deine Lakaien und Depeche Mode.

Und genau in dieser Art kommt nun Marianne Rosenbergs neues Studioalbum „Regenrhythmus“ daher. Viele der 13 Stücke sind bewegend und verstörend zugleich. Schon der Opener „Liebe tief erfunden“ zeigt, wie schnell der Wechsel zwischen gespenstischer Atmosphäre in der Strophe und Hochstimmung mit Ohrwurmcharakter im Chorus passieren kann. Elektronische Beats treffen auf chillige, wabernde Soundflächen und sanfte Ethno-Instrumentierung. Die Texte sind ebenso melancholisch wie blumig, erwachsen wie verspielt und oft von einer leichten sexuellen Aura umgeben.

So gibt es tolle urbane Pop-Hymnen, die man sich sowohl auf dem iPod in der U-Bahn einer nächtlichen Metropole anhören mag als auch in Clubs gut vorstellen kann.

Die Stücke, die mir nicht so gut gefallen, sind gleichzeitig die plakativsten des Albums. Nämlich diejenigen, die voraussichtlich als die „Zugpferde“ der CD herangezogen werden. „Rette mich durch die Nacht“, die erste Single-Auskopplung, gefällt mir beispielsweise gar nicht gut. Es klingt nach Kylie Minogues Disco-Sound mit Schlager-Flair. Zu grell, zu schnell, zu flach. Ähnlich geht es mir mit „Und wenn ich sing“, für diesen Song bedarf es keiner Marianne Rosenberg, das können leider viele. Aber dennoch sehr schön zu sehen, wie stimmgewaltig die Rosenberg ist – bei diesem Track klingt sie enorm jung, während sie bei vielen anderen Stücken des Albums enorm erfahren klingt.

Ob man den Text von „Verliebte Jungs“ nun mag oder nicht, sollte jeder für sich entscheiden. Nur so viel: Marianne Rosenberg wird vermutlich gern in Gay-Clubs gespielt, und mit „Verliebte Jungs“ dürfte die Wahrscheinlichkeit noch einmal um ein Vielfaches gestiegen sein. Musikalisch jedenfalls reizvoll. Besonderheit: Deutschsprachige Strophe, englischer Refrain.

Auch den Titeltrack „Regenrhythmus“ empfinde ich als melodisch etwas zu dünn. Ein Dance-Track, bei dem die Vocals für meinen Geschmack etwas zu leise gemixt sind, man versteht den Text leider nicht ausreichend genug.

Was mir wirklich gut gefällt, sind die leisen, sich entwickelnden Stücke. Die haben es wirklich in sich! „Film Noir“ gehört mit seiner thematisch sehr passenden Stimmung dazu.

Der beste Song ist für mich „Julikuss“ mit seinem gespenstischen Chorus und einem unverkennbaren James-Bond-Charakter. Auch „Genau entgegengesetzt“ ist so tiefgründig und wehmütig, dass es eine wahre Wonne ist. „Dämonen und Wunder“ hätte auch von einem Coldplay-Album stammen können, allerdings ist es nicht rockig. „Die Zeit und die Herzen“ klingt nach Diva-Alarm, treibend und tragend erinnert es mich seitens der String-Arrangements an „Confide in me“ von Kylie Minogue. Auch rechnet Marianne Rosenberg mit der Casting-Welt ab. „Lauf Kleine“ ist eine Warnung an alle jungen Mädchen, die sich vom System unterordnen um dem vermeintlichen Ruhm zu dienen. Davon kann Marianne Rosenberg ein Lied singen (im wahrsten Sinne des Wortes), wurde sie selbst in einer Casting-Show entdeckt. Mit „Vorbei ist es nie“ und „Jetzt“ kommen noch einmal zwei enorm melancholische Stücke zum Ausklang. Urban und düster, tiefgründig und wehmütig.

Mit „Regenrhythmus“ ist Marianne Rosenberg ein ganz tolles Album gelungen. Es gibt zwar einige wenige Stücke, die mir gar nicht gut gefallen, dafür ist der Großteil ganz hervorragend und fernab von allem, was man als Schlager bezeichnen würde. Gute, deutschsprachige Popmusik mit Tiefgang und einer wahnsinnig tollen Stimme.

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