Die verschlossene Tür Hot

Michael Brinkschulte   16. Juni 2015  
Die verschlossene Tür

Rückentext

Der baltische Baron Kedell hat nach der Umsiedlung aus Estland im Winter 1939 ein zuvor enteignetes Gut zur Bewirtschaftung erhalten. Hier hält sich dessen eigentlicher Besitzer, der Bankier Levi, ein polnischer Jude, versteckt. Kedell gibt Levi als seinen Bruder aus und hält ihn auch dann noch versteckt, als er von seiner Frau und seinem Sohn verlassen wird. Im Winter 1944/45 ermöglicht Levi dem Baron die Flucht vor polnischen Marodeuren, die der vorrückenden Front vorauseilen, um Rache an der deutschen Bevölkerung zu üben. Das Schicksal vereint beide zu Brüdern des Unglücks und der Verfolgung. Anhand eines symptomatischen Einzelschicksals zeichnet Fred von Hoerschelmann ein ungeschöntes Bild der Verhältnisse im von deutschen Truppen besetzten Warthegau. Dieses Hörspiel stellt sich der nationalsozialistischen Vergangenheit und wirkte damit verhältnismäßig früh der Tendenz einer stärker werdenden Verdrängung dieses Kapitels deutscher Geschichte entgegen. Es appellierte indirekt an die Hörer, sich mit der eigenen Rolle in der Zeit des Zweiten Weltkrieges auseinander zu setzen. Darüber hinaus ist es die wohl einzige nennenswerte literarische Darstellung deutschbaltischer Schicksale im Warthegau.

Zum ersten Mal gesendet wurde das Hörspiel am 9. März 1952 im Rahmen der „Woche der Brüderlichkeit“ durch den Süddeutschen Rundfunk Stuttgart. In den Folgejahren entstanden allein im deutschsprachigen Raum drei weitere Hörspiel- und zwei Fernsehspielproduktionen des Stückes. Bei der vorliegenden Aufnahme handelt es sich um eine vom NDR Hamburg realisierte Neufassung aus dem Jahr 1957. Das Geräusch der Tür wird hier zum Leitmotiv und erhält in Verbindung mit dem Verstecken eines verfolgten Juden eine symbolische Bedeutung. Wie in allen seinen Hörspielen richtete Fred von Hoerschelmann den Fokus auch hier auf das allgemein-Menschliche und damit auf Konflikte, die dauerhaft Gültigkeit beanspruchen. Er zeigt, dass es immer Menschen gibt, die beispielweise in einer Diktatur trotz der Gefahr für Leib und Leben nach den Grundsätzen der Humanität handen.

Fred von Hoerschelmann (1901 1976) war bereits in der Weimarer Republik einer der Hörspiel-Pioniere. In den 1950er- und 1960er-Jahren prägte er die Blütezeit dieser Kunstform maßgeblich mit. Hörspiele wie „Die verschlossene Tür“ (1952) und „Das Schiff Esperanza“ (1953) erlangten international großen Erfolg und begründeten Hoerschelmanns Ruf als Meister der Hörspieldramaturgie. Mit seinem 1950 erschienen Buch „Die Stadt Tondi“ (1950) machte er sich als erfindungsreicher Erzähler mit einem Scharfblick für menschliche Abgründe einen Namen.

Hörspiegel-Meinung

Story/Inhalt 
 
10,0
Atmosphäre 
 
9,0
Sprecher 
 
8,0
Soundtrack 
 
7,0
Aufmachung 
 
7,0
Gesamtwertung 
 
8,2

Wie ist das Hörspiel umgesetzt?

Mit einer Sprecherriege, die auch in kleinen Rollen mit heute bekannten Namen aufwartet, wurde 1957 dieses Hörspiel aufgenommen. So findet man Inge Meysel in der Rolle der Sekretärin Fräulein Zwielich. Insgesamt sind 20 Sprecher an der Produktion beteiligt, in deren Fokus die Figuren des Baron Kedell, dessen Frau, sowie Dr. Levi stehen.

Eine Liste aller Sprecher ist auf der Rückseite der Coverkarte nachzulesen. Das Coverbild selbst passt in all seinen Details hervorragend zum Hörspiel.


Resümee/Abschlussbewertung:

Die Geschichte eines Bauern im Zweiten Weltkrieg, der sein ursprüngliches Land verloren hat und als Entschädigung in Polen einen enteigneten Hof zur Verwaltung erhält, stellt den äußeren Handlungsrahmen des Hörspiels dar. Nach ein paar Minuten, in denen das Ehepaar Kedell im neuen Heim ankommt, wird für den Hörer die wirkliche Intention des Hörspiels klar. Der jüdische Besitzer des Hofes ist im Haus und wird in der Folge, zuerst aufgrund seiner schweren Erkrankung, von Kedell versteckt und als dessen Bruder ausgegeben.
Bis zum Ende hin entwickelt sich eine dramatische Geschichte, deren Ende nachhallt.

Ein intensives Hörspiel, das auch 70 Jahre nach Kriegsende die Situation derer, die enteignet und verfolgt wurden verdeutlicht und auch die Situation derer beschreibt, die Humanität zeigten und halfen.

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