Imperium Hot

Nico Steckelberg   19. Oktober 2012  
Imperium

Hörbuch

Autor(en) oder Hrsg.
Sprecher
Erscheinungsjahr
Format
CD
Anzahl Medien
4

Rückentext

In Imperium erzählt Christian Kracht eine Aussteigergeschichte in den deutschen Kolonien der Südsee, indem er virtuos und gut gelaunt mit den Formen des historischen Abenteuerromans eines Melville, Joseph Conrad, Robert Louis Stevenson oder Jack London spielt.

Die Welt wollte er retten, eine neue Religion stiften, gar ein eigenes Reich gründen – eine Utopie verwirklichen, die nicht nur ihn selbst, sondern die Menschheit erlöst, fernab der zerstörerischen europäischen Zivilisation, die gerade aufbricht in die Moderne und in die Katastrophen des Ersten und Zweiten Weltkriegs. Doch in der Abgeschiedenheit der Südsee, in einer Kolonie des wilhelminischen Deutschland, gerät ein von einem vegetarischen Spleen besessener Sonnenanbeter in eine Spirale des Wahnsinns, die die Abgründe des 20. Jahrhunderts ahnungsvoll vorwegnimmt.

Hörspiegel-Meinung

Story/Inhalt 
 
7,0
Atmosphäre 
 
9,0
Sprecher 
 
8,0
Aufmachung 
 
7,0
Gesamtwertung 
 
7,8

Die Zeiten, in denen das Deutsche Kaiserreich Kolonien unterhielt, wurden bereits zu Wilhelms Zeiten stark kritisiert. Denn die Kolonien brachen weniger ein als sie kosteten. Für Abenteurer und Aussteiger boten sie gewiss die richtige Basis um ihr Leben zu restrukturieren. In einem Deutschen Kaiserreich jenseits Europas.

Christian Krachts Roman „Imperium“ handelt vom Aussteiger August Engelhardt, dessen neues Leben in Deutsch-Neuguinea sich auf drei zentrale Themen konzentriert: Vegetarismus, Nudismus und Kokosnüsse. Allen dreien seiner Steckenpferde frönt er ohne Unterlass, wirbt für seine Weltanschauung, die ihn schon bald in seiner eigenen Heimat zu einer Art Guru machen soll. Er setzt es sich in den Sinn, von nichts anderem zu leben als von der Kokosnuss, ohne Kleidung am Leibe, um so gottgleich zu werden.

Dies ist die philosophische oder auch psychedelische Ebene des Romans. Es ist gewiss ein wenig befremdlich, den Gedankenwirrungen dieses weder sympathischen noch unsympathischen Protagonisten zu folgen. Was den Roman für mich reizvoll gemacht hat, sind die Umschreibungen der Kolonialzeit. Wie stellte sich gesellschaftliches Leben dar? Wie stellten sich Geschäftsleute auf? Wie funktionierten die logistischen Abläufe des Reisens dar? Wie war die medizinische Betreuung? Und auch Fremdenhass bzw. Rassismus spielen eine Nebenrolle in Krachts Roman, wofür er bereits öffentlich durch die Fachpresse gerügt wurde.

Sein Schreibstil hat mir zunächst nicht gut gefallen. Die ellenlangen, in sich verschachtelten Sätze erfordern viel Konzentration vom Hörer. Normalerweise bin ich auch kein Freund von zu schnellen Lesungen, aber ebendiese Kombination aus langen Sätzen, durch die Dominik Graf mit stoischer Gelassenheit nahezu hindurch hechtet, macht einen gewissen Anziehungseffekt dieses Hörbuchs aus. Graf – seines Zeichens Regisseur (u.a. die Kai-Meyer-Verfilmung „Das Gelübde“, „Polizeiruf 110“, „Tatort“ u.v.a) – hat keine typische Erzählerstimme, aber diese Tatsache passt wunderbar zum kantigen Hauptdarsteller, der sich ebenfalls in kein Schema pressen lässt.

„Imperium“ ist ein völlig anderes Hörbuch geworden als der Einheitsstoff, den man weitläufig in den Regalen vorfindet. Es lebt von seiner Vielfalt an Persönlichkeiten, Farben und Gerüchen in Kombination mit dem Kribbeln, das man empfindet, wenn man ein unbekanntes Land betritt.

Und – verdammt noch mal! – ich habe fast die ganzen 5 Stunden der Lesung Appetit auf Kokosnüsse gehabt!

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