Kinski talks 1 (The Klaus Kinski Estate Edition No. 2)

Kinski talks 1 (The Klaus Kinski Estate Edition No. 2) Hot

Nico Steckelberg   12. November 2010  
Kinski talks 1 (The Klaus Kinski Estate Edition No. 2)

Rückentext

Sein erster, witzigster und wohl bester Auftritt bei einer Talkshow, ein bis dato unveröffentlichtes Interview und ausführliche Zeitzeugen-Berichte im Bonusmaterial bilden einen herrlich schrägen Dreiklang. In "Je später der Abend" vom 2.7.1977 führt er den bemitleidenswürdigen Moderator Reinhard Münchenhagen am Nasenring durch die zigarettenverrauchte Arena eines WDR-Aufnahmestudios. Die wohl wertvollste Perle dieser Zusammenstellung ist ein Schatz aus dem RTL-Archiv, der jetzt gehoben wurde: 75 Minuten Kinski! Das 1985 geführte Interview der Journalistin Helga Guitton dürfte selbst den eingefleischtesten Kinski-Fans gänzlich neu sein.
(Foto: (c) RTL)

Hörspiegel-Meinung

Story/Inhalt 
 
10,0
Atmosphäre 
 
10,0
Darsteller 
 
10,0
Soundtrack 
 
6,0
Aufmachung/Extras 
 
8,0
Gesamtwertung 
 
8,8

„Ein Genie!“ sagen die einen. „Ein Irrer!“ die anderen. Sieht man sich Fernsehinterviews mit Klaus Kinski an, hat man klar das Gefühl, dass beide Fraktionen uneingeschränkt Recht haben.

Im Rahmen der „Klaus Kinski Estate Edition“ erscheint die DVD „Kinski Talks 1“ mit zwei voll ausgespielten TV-Interviews.

Der erste stammt aus dem Jahr 1977, als Kinski von Reinhard Münchenhagen in der Sendung „Je später der Abend“ für den WDR befragt wird. Kinskis erstes TV-Interview-Premiere ist gekennzeichnet durch unzählige Zigarretten, Kinskis Drang, die absolute Kontrolle an sich zu reißen und provokant seine Gesprächspartner zu Reaktionen zu reizen, die er dann wiederum in der Luft zerfetzen kann. So führt Kinski eher den Moderator Münchenhagen als anders herum, wobei man aus heutiger Sicht sagen muss, dass Münchenhagen ein hervorragender Rhetoriker und Fragensteller ist: Intelligent, spontan, gewitzt. Doch Kinski will die Hauptrolle spielen. Und er nimmt sie sich, lässt sich sogar auf einen enorm langen Streit mit einem Zuschauer im Publikum ein. Der ebenfalls geladene Interviewgast Manfred Krug (der in der ersten Hälfte der Sendung zu Wort kam), tritt nahezu gänzlich in den Hintergrund.

1985 versuchte sich die Journalistin Helga Guitton an einem Kinski-Interview im Rahmen der Promotion-Tour zu seinem damals aktuellen Film „Commando Leopard“. Zunächst ist das Interview geprägt von Kinskis Ablehnung, er gibt keine Antwort, verweist auf seine Schauspiel-Kollegen, die ebenfalls im Raum sind. Helga Guitton stellt „platte“ Fragen, und Kinski fährt sie oft genug angewidert deswegen an, greift sie persönlich und verletzend an. Doch das stört sie nicht, sie fährt die „Ich lächle und bleibe einfach sitzen“-Tour. Hierdurch schafft sie es, dass Kinski aus eigenem Antrieb doch noch zu reden beginnt und zu einer philosophischen Tirade über die Oberflächlichkeit der Medien anstimmt. Dieses 72-Minütige Interview wurde nie in voller Länge ausgestrahlt und konnte direkt aus den RTL-Archiven für die DVD gewonnen werden.

Als Bonusmaterial gibt es zwei Interviews zum Thema Klaus Kinski aus dem Jahr 2010. Eines von Reinhard Münchenhagen, der seine eigene journalistische Leistung aus dem Jahr 1977 reflektiert und kritisiert und eines mit Kinskis Freund und Schauspielkollegen Hans Leutenegger, der offen über Kinskis Gott-Komplex spricht und die Auswirkung auf das eigene Wesen, wenn man zu lange im Kinski-Dunstkreis lebte.

„Kinski talks 1“ hat für mich einen gelungenen DVD-Abend bedeutet. Ja, der Sound ist schlecht, insbesondere im 2. Interview, das durch Mikro-Spielereien das Zuhören erschwert. Dennoch: Es ist enorm unterhaltsam, Kinskis Gedankengängen zu folgen, seiner übermenschlichen Rhetorik, Gestik, Mimik zu folgen. Man klebt förmlich mit seiner Aufmerksamkeit an diesem Mann. So unangenehm unterkühlt und offenkundig aggressiv-verächtlich die Gesprächsatmosphäre bei den beiden Interviews auch war, so unterhaltsam ist dieses dokumentierte Stück TV-Geschichte.

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