The Fall Of Hearts

The Fall Of Hearts           Hot

Alina Jensch   17. Mai 2016  
The Fall Of Hearts

Musik

Interpret/Band
Veröffentlichungs- Datum
20. Mai 2016
Format
  • CD
  • Download
  • Vinyl
Anzahl Medien
1

Hörspiegel-Meinung

Gesamtwertung 
 
10,0

KATATONIAs neues Album ist nicht nur eine der am heißesten erwarteten Veröffentlichungen des Jahres sondern auch das 10. Studioalbum der Schweden – pünktlich zu ihrem 25-jährigen Jubiläum.

Beim Anblick des Albumcovers, das sich im Gegensatz zur deutlichen optischen Unterscheidung früherer Alben sowohl vom Motiv als auch der Farbgebung her stark an den Vorgänger „Dead End Kings“ anlehnt, erwartet man unweigerlich eine musikalische Weiterführung.

„Dead End Kings“ liegt mittlerweile auch schon wieder knapp vier Jahre zurück (nicht überraschend wenn man bedenkt, dass die Könige der Düsternis ihre bisherige Karriere stets nach „gut Ding will Weile haben“ bestritten...) und dürfte wohl das bis dato erfolgreichste Album der Schweden sein für das sie von Kritikern und Verkaufszahlen zwar mehr als gefeiert wurden – das unter den Fans aber gehörig polarisierte.
Als durchaus turbulent lässt sich die Zeit seit der letzten Veröffentlichung beschreiben: Dem Album folgte mit „Dethroned & Uncrowned“ das erste Crowdfunding-Projekt der Band und infolgedessen die erste (mehr oder weniger) „Unplugged“-Tour, die den Metalern ein völlig neues Live-Erlebnis bescherte. Die vergangenen Jahre standen jedoch auch im Schatten des schweren Abschieds vom langjährigen Schlagzeuger Daniel Liljekvist und Gitarrist Per Eriksson.  

Nun endlich wieder zu fünft, mit Daniel Moilanen am Schlagzeug und Roger Öjersson (u.a. Tiamat) an der Gitarre, melden sich KATATONIA zurück und präsentieren ihr neustes, und mit über 67 Minuten Spiellänge auf der regulären Version auch längstes Meisterwerk. 
Anders als zu Beginn angedeutet stellt „The Fall Of Hearts“ keine wirkliche Fortführung von „Dead End Kings“ dar. Was viele alte Fans vielleicht freuen wird: Das neue Album ist wieder wesentlich härter, die für KATATONIA typischen dröhnenden Gitarrenteppiche sind verstärkt zurück, es rücken wieder mehr Soli in den Vordergrund, die Texte wirken wieder zugänglicher und insgesamt hüllt sich alles in den altbewährten Mantel der ausweglosen Dunkelheit.

Im Vorfeld hatte man schon verlauten lassen, dass das neue Werk auf Elemente älterer Alben zurückgreifen aber auch Inspirationen aus dem sehr akustisch und atmosphärisch gehaltenen „Dethroned & Uncrowned“ ziehen würde und das kann man wirklich so stehen lassen: Oft fühlt man sich an „Viva Emptiness“ mit seiner Rohheit und erdrückenden Verzweiflung erinnert (z.B. Takeover, Residual, The Night Subscriber) aber auch die endlose Einsamkeit und Grooves von „The Great Cold Distance“ schimmern durch (etwa in Serein oder Last Song Before The Fade). Waren auf den letzten beiden Alben vermehrt progressive Einflüsse zu finden, so sind diese in noch stärker manifestierter Form auch auf dieser Scheibe vorhanden und die für KATATONIA doch etwas außergewöhnliche Länge von teils mehr als 6 Minuten pro Stück bietet auch genug Platz für allerhand Spielereien, ausgetüftelte Soli, überraschende Breaks und das allgemein verschachtelte Songwriting mit dem die Band schon immer zu beeindrucken wusste. 
Dennoch wirkt „The Fall Of Hearts“ anders als zum Teil sein Vorgänger keinesfalls experimentell – alle Puzzleteile klingen ausgereift, wohl überlegt und fügen sich nahtlos und stimmig in das Gesamtwerk ein. Dazu gehören auch die wiederkehrenden Piano-Klänge und Percussions (z.B. Sanction, Pale Flag), die ihren ersten derartigen Auftritt auf „Dethroned & Uncrowned“ hatten. Auch die atmosphärischen Keyboard-Einlagen der letzten Alben sind geblieben, halten sich hier aber eher im Hintergrund und lassen der sehr fetten restlichen Instrumentalisierung, besonders den dominanten Gitarren, den Vortritt. 

Und das Unmögliche scheint wahr geworden: Sänger Jonas Renkse überbietet sich erneut selbst in seinem unumstritten herausragenden Können und setzt gänzlich neue Maßstäbe! 
Die grandiose Produktion von Jens Bogren tut ihr übriges um die einmalige Stimme richtig in Szene zu setzen. Insgesamt ist die Produktion zu loben: Kraftvoll, vielschichtig und bedrohlich wabert der Sound aus den Boxen und gibt jedem Element den nötigen Raum sich voll zu entfalten. 

Mit Old Heart Falls, Serein und Serac wurden in den vorangegangenen Wochen bereits einige Stücke im Internet veröffentlicht und bieten tatsächlich keinen schlechten Querschnitt durch das abwechslungsreiche Album – genügend Überraschungen werden sich trotzdem finden. Schon gleich das erste Stück Takeover bringt mit seinem Gänsehaut-Refrain, groovigen Bass, erstklassiger Schlagzeugarbeit und kraftvollen Melancholie den Wow-Effekt und beweist: KATATONIA verwenden zwar Essenzen ihrer vergangenen Werke, kopieren sich aber nicht selbst und präsentieren mit „The Fall Of Hearts“ zum zehnten mal etwas frisches und neues. 

Das Warten hat sich definitiv gelohnt: „The Fall Of Hearts“ ist mitreißend dramatisch, zerreißend emotional, niederschmetternd düster und überwältigend brachial. KATATONIA erfüllen unsere Herzen mit Dunkelheit, konfrontieren uns mit der unumgänglichen Vergänglichkeit und der einsamen Kälte des Verlusts. Alles richtig gemacht!

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