Lebenslauf Hot

Jan Hillgärtner   08. Januar 2012  
Lebenslauf

Hörbuch

Autor(en) oder Hrsg.
Erscheinungsjahr
Format
CD
Anzahl Medien
6
Altersempfehlung
ab 10 Jahren

Rückentext

Die Autorin Alice Schwarzer hat zahlreiche Porträts und Biografien geschrieben, u. a. über Gräfin Dönhoff und Romy Schneider. Ein autobiografisches Buch oder Hörbuch über ihren eigenen Lebensweg jedoch gab es bisher nicht. Nun ist es soweit. In großer Offenheit erzählt sie von dem, was sie geprägt hat – und was sie daraus gemacht hat. Über die politisierte Großmutter und den fürsorglichen Großvater, über ihr schwieriges Verhältnis zur Mutter. Über ihre Kindheit auf dem Dorf und die Jugend in Wuppertal. Über beste Freundinnen und den ersten Kuss. Über Ausgrenzung und Gewalt. Über Freundschaft und Liebe. Über Swinging Schwabing in den 60ern und die 68er Jahre als Reporterin bei pardon. Über ihr Leben als Korrespondentin und den euphorischen Aufbruch der Pariser Frauenbewegung. Über ihre frühen feministischen Aktionen gegen den § 218 und den Skandal vom »Kleinen Unterschied« – bis hin zur EMMA-Gründung.

Hörspiegel-Meinung

Story/Inhalt 
 
9,0
Atmosphäre 
 
8,0
Sprecher 
 
10,0
Aufmachung 
 
10,0
Gesamtwertung 
 
9,3

Sie gehört zu den Sternen der deutschen feministischen Bewegung. Alice Schwarzer hat ihre Biografie bis kurz nach der Gründung der Emma geschrieben, die jetzt auch von der Autorin selbst eingesprochen als Hörbuch erschienen ist. Es gibt Personen, über die sich eine feste Patina an Klischees und teilweise schon über Generationen hin weitergegebene Vorurteilen gelegt hat. Wenn diese Personen gestorben sind können sie sich dagegen nicht wehren. Die 1942 geborene Alice Schwarzer ist, das macht das Hörbuch deutlich, noch quicklebendig und widmet sich in ihrer Biografie dem Kampf gegen tradierte Bilder ihrer Person.

Da ist zum einen die erstaunliche Offenheit, die Schwarzer über 4 CDs verteilt gezielt im Kampf gegen die Klischees einsetzt. Die Öffentlichkeit erfährt von den Feministin Seiten, die sie nicht kannte, die manche nicht für möglich gehalten haben, die aber trotzdem zu jedem Menschenleben dazu gehören. Freiwillig gibt Alice Schwarzer Auskunft über ihre Herkunft und ihre Jugendjahre, die erstaunlicherweise gar nicht so verschieden von den anderen in ihrer Generation zu sein scheinen. Entwurzelung während und nach dem Krieg, das Aufwachsen bei der Mutter und den Großeltern an verschiedenen Orten Deutschlands, und der Einstieg in ein Arbeitsleben, in dem sie sich als Frau mit Unterdrückung und Unterforderung auseinander zu setzen hatte. Glauben wir Schwarzers Ausführungen, so muss sie Ende der 1950er und Anfang der 60er Jahre eher eine kesse junge Frau mit kurzem Rock gewesen sein als strickende linke Studentin, deren intellektueller Widerstand sich auf das Entblößen der Brust vor greisen Akademikern beschränkte.

Anders aber als viele ihrer Zeitgenossinnen hat sie dieses Schicksal nicht hingenommen. Kämpferisch dagegen gewehrt hat sie sich allerdings in ihren Jugendjahren auch noch nicht. Der Wechsel der Ausbildung und der Beginn eines Studiums markieren langsame aber fundierte Schritte in ein Leben, dessen Zukunft Schwarzer selbst noch undeutlich vor Augen lag. Angekommen in Paris hatte sie einen ihrer langen Wünsche wahr gemacht. Und in Paris sollte sie nicht nur intellektuelle Herberge in der sich formierenden Frauenbewegung finden, sondern auch ihr Herz an Bruno, einen Jurastudenten verlieren. 1964 war das, ein Datum, dass Schwarzer als das Ende ihrer Jugend bezeichnet. In Paris saugt sie alles auf, was die hauptsächlich sozialwissenschaftlich orientierte Theorie über die Stellung der Frau in der Gesellschaft und der Beziehung thematisiert. Ihr großer Vorteil ist es, in Bruno einen Partner gefunden zu haben, der ihr geistig nicht nur ebenbürtig ist, sondern einen bereichernden Einfluss auf sie ausübt. Als Journalistin verdient sie sich in den kommenden Jahren ihr Geld, immer zwischen Frankreich und Deutschland hin und her pendelnd.

Motivationen, die Hör-Autobiografie von Schwarzer zu hören, kann es zwei geben: einerseits das Interesse an der aufrichtigen Schilderung des Privatlebens einer derart öffentlichen Person und andererseits das Interesse an der Entstehung der Frauenbewegung in Deutschland. Schwarzers Autobiografie gibt in beiden Themen einen spannenden Ausgangspunkt. Zwischen den Zeilen schwingt immer ein Stimmungsbild des geistigen Klimas in Deutschland der jeweiligen Epoche mit. Spannend wird es dort, wo sie als Journalistin den Rahmen der Recherche überschreitet und sich in der deutschen Frauenbewegung umzusehen und auch zu profilieren beginnt. Mit ihrem Ansatz, der pragmatisch und in der Lebenswelt der Frauen in der Mehrheitsgesellschaft ansetzt, hat sie in der vornehmlich akademisch bestimmten Diskussion zunächst wenige Chancen. Die von ihr lancierten Initiativen stoßen bei den an feministischen Themen interessierten Frauen auf wenig Gegenliebe. Wie die in Frankreich theoretisch ausgebildete Frauenrechtlerin ihren Weg in das Zentrum der deutschen Frauenbewegung gefunden hat, um welchen Preis und mit welchen Gefahren dies geschah, all das erfährt man in dem spannenden und kurzweiligen Hörbuch.

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