Lylith, die Hohepriesterin - Folgen 1 & 2
"Balars Erbe" / "Die magische Verwandlung"

© 2002 Hörspiele Welt
Rückentext:
"Du, Lylith, trägst eine große Gabe aber auch Verantwortung in Dir. Nutze Sie, denn der Tag naht, an dem das ganze Dorf und vielleicht alle Menschen deine Hilfe brauchen."

Hörspiegel-Meinung (ck):
Der erste Eindruck ist häufig ein wichtiger Faktor bei der Entscheidung für ein Produkt. Dies gilt selbstverständlich auch für dieses, von der Firma „Hörspiele Welt / wav“ produzierte Hörspiel. Und eben dieser erste Eindruck wird sicherlich dafür sorgen, daß es seinen Weg in einige unserer Regale finden wird.
Sowohl die Hülle als auch die CD selbst sind sehr ansprechend gestaltet und unterstreichen den mystischen Anspruch der Erzählung. Dabei sollte allerdings berücksichtigt werden, daß so nicht nur Interesse, sondern auch eine gewisse Erwartung an den Inhalt geweckt wird. Dies gilt auch für den kurzen Rückentext (s.o.).

Wie vom Produzenten „beabsichtigt“, sagen diese Sätze tatsächlich eine Menge über das aus, was der Hörer vom Inhalt zu erwarten hat: ein Schwall mystischer, wortgewaltiger Elemente und Dialoge. Die Umsetzung und der Aufbau der Erzählung können diesem hoch gesetzten Anspruch jedoch nicht gerecht werden. Das Bemühen der Macher um eine mystische Struktur der Sprache, der Gestalten und der Toneffekte ist stets zu spüren und wirkt deshalb in seiner Überzogenheit etwas hilflos. Ein gutes Beispiel hierfür sind die häufigen Halleffekte.

Auch fühlt sich der Hörer nicht nur gelegentlich an Elemente aus dem „Krieg der Sterne“ erinnert. So ist im Bezug auf Lylith von einer „Konzentration der Macht“ die Rede. Sie müsse lernen „die Macht zu benutzen“, Prüfungen zu bestehen und Verantwortung für die Rettung der Menschheit übernehmen. Diese kurze Zusammenfassung stünde auch dem jungen "Skywalker“ auf dem Weg zum Jedimeister gut zu Gesicht.

Insgesamt scheinen bei der Ausgestaltung der Hauptdarstellerin Anleihen an bekannte Publikationen zum guten Ton zu gehören. So erinnert die Einleitung des Sprechers im zweiten Teil sicher nicht zufällig an den Bestseller „Harry Potter“: Die Bestimmung Lyliths sei es, mit Magie und Zauber als Hohepriesterin die Welt zu retten. Von der Dynamik, der Phantasie und dem Einfallsreichtum des Vorbilds ist jedoch nicht viel zu spüren. Unerwartete Verkettungen der Ereignisse sind nicht zu finden. So bleibt dem Hörer am Ende inhaltlich nicht viel mehr im Gedächtnis als ein junges Mädchen, daß mit seinen unerwarteten Kräften nicht umgehen kann und von schwach konturierten dunklen Mächten entführt wird, viel lernt, daraufhin „triumphal“ zurückkehrt, um die Welt „bis auf Weiteres“ zu retten. Die direkte Konfrontation von „Gut und Böse“ ist dabei selbstverständlich genauso unvermeidlich, wie die am Rande eingeflochtene Liebesgeschichte.

Formell wird das Hörspiel dominiert von der Erzählerin, die versucht, sich mit ihrem Bemühen um eine klassische Stimme vom Eindruck der vorlesenden Märchentante abzusetzen. Insbesondere die streckenweise etwas albern wirkende Imitation verschiedener Personen und die kindliche Vertonung der Drachenstimmen, läßt dies nur im Ansatz gelingen. Für ein Schmunzeln sorgt beim Hörer darüber hinaus der kleine Sprachfehler der Erzählerin. Sicherlich ist ein Lispeln nicht lächerlich, doch muß sich der Produzent schon die Frage gefallen lassen, ob Irina Hunka diesbezüglich die optimale Sprecherin für ein Stück ist, dessen Hauptdarstellerin den Namen „Lylith“ trägt.

Ein Kompliment geht an Kai Becker für seine Musik und Tontechnik. Er umrahmt effektvoll die Handlung und verleiht ihr, trotz der etwas matten Geschichte, einen gewissen Glanz. Insgesamt verdient auch die Rahmengestaltung, zu der vor allem die einfallsreichen Namen und Orte gehören, ein Lob. Daran ändern auch einige etwas abgegriffene Motive (wie zum Beispiel der Wald der Elfen) nichts.

Im Ganzen gelingt es zwar, das Interesse des Hörers an Olaf Seiders Erzählung aufrecht zu erhalten, echte Spannung kommt jedoch bis zum Schluß nicht auf. Dies mag an der Eindeutigkeit der dargestellten Charaktere liegen. Doch auch die Geradlinigkeit der Handlung, und das damit verbundene Ausbleiben von Überraschungen, sorgt für eine gewisse Langatmigkeit der Erzählung.

Am Ende bleibt, in jeder Beziehung, die Hoffnung auf eine Fortsetzung. Denn die abschließende Rettung der Welt steht schließlich noch aus.
 

Hörspiegel-Skala:
1. Story 
2. Atmosphäre
3. Sprecher
4. Soundtrack
5. Aufmachung
ENDERGEBNIS (gerundet)

(Christian Kloer, © 2002 Der Hörspiegel )